11. Februar im IBZ – vor der anschließenden Mitgliederversammlung
Trotz wachsender Forschungsliteratur zu Teppichen der Bauern und Nomaden bleibt das Wissen über frühe anatolische Nomadenteppiche, insbesondere ihre Herkunft, lückenhaft. Viele dieser vermeintlich nomadischen Teppiche Anatoliens wurden interessanterweise in städtischen Moscheen gefunden, wie etwa in der ʿAlāʾeddīn Moschee in Konya. Dieser Vortrag stellt zwei zentralanatolische Teppiche aus Karamanien vor: den „Vogel-Baum-Teppich“ aus dem Vakıflar Museum in Istanbul und den „Vierzig-Vögel-Teppich“ des Mevlānā Konvents in Konya, die beide auf die Zeit zwischen 1450 und 1550 datiert werden.
Im Mittelpunkt steht die Frage, ob es sich hierbei tatsächlich um Nomadenarbeiten handel und, wenn ja, welchen Stämmen sie zugeordnet werden können. Zugleich wird die Bedeutung ihrer Vogel-Ikonographien untersucht: warum wurden hier vierzig Vögel oder ein Weltenbaum mit gegenüberstehenden Vögeln abgebildet?
Durch die Verknüpfung von historischen Quellen wie osmanischen Kataster- und Stammeslisten mit kosmischen Vorstellungen, Mythologien und der Poesie der alevitischen Sufi, sowie durch den Vergleich von Vogel- und Weltenbaum-Motiven in Architektur,
Derwischklöstern und Teppichen nähert sich der Autor dem soziokulturellen Hintergrund und den Bedeutungsebenen dieser Knüpfarbeiten: Diese sind mit hoher Wahrscheinlichkeit türkmenischen Nomadengruppen aus Zentralanatolien zuzuschreiben, wobei ihre Vogel-Ikonographien starke Bezüge zur Bektaschi-Tradition aufweisen, die im 15. Jahrhundert in Anatolien zunehmend an Einfluss gewann.

Ahmet Balkan ist Architekt (B.Sc. 2001, M.Sc. 2005) mit langjähriger internationaler Erfahrung in der Türkei, Frankreich, und Deutschland. Gleichzeitig ist er Historiker des Nahen und Mittleren Ostens (M.A. 2023) mit besonderem Schwerpunkt auf der Teppichforschung. Seit 2022 ist er Leitender Teppichforscher an der Theodor-Springmann-Stiftung in Heidelberg, die sich auf Flachgewebe der Bauern- und Nomadenkulturen spezialisiert. Sein Forschungsschwerpunkt umfasst kaukasische Kilims sowie Nomadenteppiche Anatoliens, zu denen er regelmäßige Feldstudien durchführt.
Derzeit promoviert Balkan an der Ludwig-Maximilians-Universität in München unter der wissenschaftlichen Betreuung von Prof. Christoph K. Neumann zu türkmenischen Nomadenteppichen Anatoliens und ihrer sozikulturellen Bedeutung. Bereits in seiner Masterarbeit an derselben Universität, am Institut für den Nahen und Mittleren Osten, widmete er sich zentralanatolischen Nomadenteppichen als Erbe der türkmenischen Karamaniden. Unter dem Titel Confronting Birds: Central Anatolian Tribal Carpets of Ḳaramān, 1450-1600 untersuchte er Vogelikonographien und analysierte deren Verbindungen zu Mythologien, Kosmologien und Traditionen des türkischen Kulturraums. Darüber hinaus erforschte er die sozialen Strukturen und türkmenischen Stämme Ḳaramāns, wobei er ihre Nähe zum Sufismus, insbesondere zu den Bektaschi aufdeckte, deren synkretische Glaubensvorstellungen sich teilweise in den Teppichmotiven widerspiegeln. Dieses Themenfeld vertieft Balkan nun in seiner Dissertation.