Arabische Schrift auf Luxus und Gebrauchsobjekten in islamischen Kulturen

Artikel vom 22. Januar 2025 aktualisiert am 01. März 2025

Vortrag von Prof. Dr. Lorenz Korn, Universität Bamberg über Schönheit und Segen – 09. Januar 2025.

Es war wohl die arabische Schrift und das breite Ausschöpfen ihres ästhetischen Potenzials, die die Gestaltung von Objekten mit Inschriften in ihrer Fülle und ihrem Facettenreichtum anregte, wie sie in islamischen Kulturen zu beobachten ist. Als weiteres Motiv kam natürlich die Möglichkeit hinzu, durch den eingeschriebenen Text etwas wörtlich mitteilen zu können. Anlass für den Vortrag war die Ausstellung „Gold und Damaszenerstahl“ der Kunstsammlungen Veste Coburg vom Juli bis November 2024: Auf vielen der ausgestellten, überwiegend osmanischen Klingen sind Inschriften angebracht (meist graviert, häufig dann auch tauschiert). Ihr ästhetischer Reiz erschließt sich ganz hervorragend in dem von Marcus Pilz und Bernd Augustin herausgegebenen Katalog, der auch die Lesungen und Übersetzungen der Inschriften enthält. Wie verhalten sich Textauswahl und die Kalligraphie dieser Inschriften zu denen auf anderen Objekten? Wie stehen die frühneuzeitlichen Prunkwaffen in der Geschichte der beschrifteten und kalligraphisch gestalteten islamischen Objekte? Ausgehend vom Beispiel eines spätmamlukischen Kupferschälchens (Lyon, Musée des Beaux Arts L706) erörterte der Vortrag das Spannungsfeld von Ästhetik und Bedeutung der arabischen Inschriften. Ein prominent auf dem Schälchen angebrachter Gratulationsvers kann zu Spekulationen über dessen Verwendungszweck und den sozialen Kontext anregen, wobei die Beweglichkeit (Portabilität) des Objekts natürlich eine wichtige Rolles pielte; aber auch für die Gestaltung des Gegenstandes ist die Inschrift im Vergleich zu and eren Elementen besonders wichtig. Inschriften auf Objekten hatten selbstverständlich auch ihren Platz in der vorislamischen Kunst des Vorderen Orients. In den ersten islamischen Jahrhunderten setzten sich Inschriften bald als dominierendes Merkmal bei einigen Objektgruppen durch. Das konnte mit offiziellen bzw. hoheitlichen Eigenschaften einhergehen wie bei Münzen oder Tiraz Stoffen. Zahlenmäßig bedeutsam sind aber auch die kurzen Inschriften der Blau Weiß Keramiken des 9. Jahrhunderts, die meist Handwerke r bzw. Künstlersignaturen enthalten. Weit bekannt sind die etwas späteren samanidischen Keramiken aus Nishapur, Samarkand (Afrasiyab) und Taschkent, bei denen die Schrift zum Protagonisten der Ästhetik wird. Wichtig ist die Feststellung, dass auf den samanidischen Keramiken viel Spruchweisheit wiedergegeben ist, aber so gut wie keine islamisch religiösen Texte und überhaupt keine Koranzitate vorkommen. Angesichts der arabischen Sprache und der starken Stilisierung der Schrift stellt sich die Frage, wer die Inschriften auf diesen Keramiken eigentlich lesen sollte. Zum Teil trifft sich der Ton der samanidischen Keramik Inschriften mit den Texten, die im ungefähr gleichzeitigen Buch des buntbestickten Kleides “ des Bagdader Autors Ibn al Waššāʾ (st. 325/937), einem Wegweiser f ü r den gebildeten Lebemann, als Beispiele für Objekt Inschriften wiedergegeben sind. Es ist nicht sicher, inwieweit hier wirklich existierende Inschriften zitiert werden und wo die teils unglaublich artifiziellen Sprüche eine geistreiche E rfindung des Autors darstellen. Unter den teils frivolen, häufig aber auch philosophischen oder gar frommen Sprüchen spielen Koranzitate keine Rolle. Bei den samanidischen Keramiken schließen sich noch weitere Beobachtungen an: Zum einen geht die Stilisierung der Schrift so weit, dass eine Transformation zu pseudo Inschriften relativ leicht geschehen konnte. Es scheint, dass das arabische Alphabet mit seinen Ober und Unterlängen und seiner Flexibilität in der Anordnung von Buchstaben (auch in verschiedenen Ligaturen) hierzu besonders geeignet war. Das zweite Phänomen ist eine Schrift Bildlichkeit, die dazu führt, dass bestimmte Kalligraphien den Wörtern besonders einprägsame Visualität verleihen. Sie können oftmals (abhängig vom Betrachter) ohne jedes Buchs tabieren wahrgenommen werden und sind somit als Wort Bild darstellbar. Diese Phänomene scheinen in den lateinischen, griechischen und kyrillischen Alphabeten deutlich weniger ausgeprägt zu sein. Sie beziehen sich natürlich nicht nur auf die Beschriftung tragbarer Objekte. Die Art der Anbringung auf dem Gegenstand ist ein eigenes Feld der Beobachtung. Sie kann der Inschrift jeweils einen bestimmten Charakter verleihen. Als Beispiel dienen zwei Tintenfässer, von denen das eine (Teheran, Nationalmuseum; wohl 11. Jh.) eine prominent angebrachte Besitzerinschrift aufweist, während das andere (Stuttgart, Linden Museum A36050L; 12. 13. Jh.) mehrere Inschriften mit Segenswünschen in winkligem („Kufi“) und in kursivem Duktus aufweist, die in die Oberflächendekoration mit ihren Flechtbändern gewissermaßen „einsinken“. Schriftstile und Textsorten scheinen auch in den nachfolgenden Jahrhunderten bestimmte Verbindungen eingegangen zu sein. Hier dienen die von Titulatur geprägten Inschriften des Herater Federkästchens für den Wesir des Ḫwārazmšāh Maǧ dal Mulk al Muẓaffar (signiert Šāḏī “) und auf dem ghuridischen Kerzenständer im Linden Museum von 561/1166 als prominente Beispiele. Hier lässt sich auch beobachten, in welchen Abstufungen bestimmte Schriftduktus für bestimmte Textgattungen verwendet wurden. Die mamlukischen Metallarbeiten scheinen eher das gegenteilige Phänomen zu belegen: Die herrscherlichen Titel des Sultans an Nāṣir Muḥammad auf einem Bassin für den höfischen Gebrauch und die Koranzitate auf einem Kasten zur Aufbewahrung einer Koranhandschrift wurden in demselben schwungvollen ṯululṯ Duktus ausgeführt. Allein die Funktion des Objekts ließ die eine oder die andere Textgattung angemessen erscheinen, während das Design dem ästhetischen Kanon des 14. Jahrhunderts folgte. Koranzitate wären für ein höfisches Handwaschbecken normalerweise nicht angemessen. Diese Zuordnung wirft auch ein besonderes Licht auf die von Robert S. Nelson in einem Aufsatz (2005) diskutierte Episode am byzantinischen Hof, wo 1279 ein dekoriertes Tablett zum Anlass eines Skandals wurde, weil seine arabische Inschrift die heilige Handlung in einem festlichen Gottesdienst entwertete: Die arabische Schrift signalisierte bereits die islamische Identität des Objekts; aber als entscheidend wurde der Inhalt des Textes angesehen. Im Kontext dieser Beobachtungen ordnen sich auch die Klingen der Coburger Ausstellung einer Gruppe von Gegenständen zu, die zumindest teilweise religiös konnotiert waren. Auf den Klingen sind neben Meistersignaturen auch Zita te aus der profanen Dichtung zu finden. Sie kontextualisieren die Waffe als Werkzeug des Mitglieds einer gebildeten und tugendhaften Elite. Daneben kommen Koranzitate und weitere religiöse Sprüche vor. Manche erschließen sich sehr allgemein als Ausdruck von Gottergebenheit, andere Unterstreichen den Gebrauch der Klinge im Glaubenskampf und legitimieren den Kampf (gegen Ungläubige). Damit werden die Waffen in einen religiösen Kontext gestellt, zu dem sie nicht nur als Werkzeuge, sondern mit ihrem gesamten De sign beitrugen. Der Vortrag schloss mit zwei Beispielen „sprechender Objekte“, deren Inschriften in der ersten Person die Eigenschaften des Gegenstandes verkünden, auf dem sie zu lesen sind. Diese besondere Art der Verlebendigung kam immer wieder vor. Sie betont den Textinhalt der Inschrift, die wie eine Sprechblase vom Objekt getragen wird. Demgegenüber verbanden viele der gezeigten Inschriften sich mit dem Gegenstand und seinem Dekor, so dass sie als essenzieller Bestandteil seiner Gestaltung wirken.