Im früheren Staatlichen Museum für Völkerkunde München gibt es seit mehr als fünf Jahren regelmäßig Gespräche zwischen ästhetischem Genuss und Forschung unter Teppich- und Textilfreunden.
Kundige Fachleute, zu denen auch Mitglieder unserer Gesellschaft* gehören, demonstrieren neben Gastreferenten in jährlich vier Vorträgen an Objekten aus den Sammlungen des Museums und anderer Provenienz sowie – im Rahmen eines Show&Tell – an von Sammlern mitgebrachten Stücken, die Bedeutung und Schönheit dieser Kunstgattung.
Im Universum der Teppiche und Textilien
Die erfolgreiche Veranstaltungsreihe findet jeweils statt im ersten Monat eines Quartals, am Sonntag von 16 bis ca. 19 Uhr. Kostenbeitrag: 10€
Moderation: Dr. Bruno J. Richtsfeld, Dr. Michael Buddeberg*, Dr. Johannes Wolff-Diepenbrock*.
Liebe Textil- und Teppichfreunde,
auf die letzte im Jahr 2022 stattfindenden Veranstaltung der nun im 11. Jahr erfolgreich laufenden Carpet-Diem-Vortragsreihe zu Textil- und Teppichthemen im Museum Fünf Kontinente darf ich aufmerksam machen:
Türkische Textilkultur in einer Ausstellung des Museums Fünf Kontinente: Gestickte und gewebte Tücher
mit Ulla Ther, München
»Türkische Handtücher« – unter diesem Namen sind häusliche Stickereien Anatoliens bekannt. Es sind kleine Kunstwerke von großer Schönheit und Ausdruckskraft.
Für die Aussteuer, hergestellt in Städten und Dörfern des Osmanischen Reichs spiegeln sie Jahrhunderte alte Traditionen. Sie begleiteten das Leben von der Wiege bis zur Bahre und erzählen viel von den Träumen und Wünschen der jungen Frauen. Unendlich fein und kunstvoll gestickte Rosen, Tulpen, Nelken, aber auch die Villen am Bosporus, Gärten und Bäume, Früchte und Tiere schmücken diese Tücher, die von Generation zu Generation als Familienschatz in der Aussteuertruhe weitergegeben wurden. Sie sind ein wesentlicher Teil des kulturellen Erbes der modernen Türkei.
Parallel und in etwas jüngerer Zeit entstand in der bäuerlichen Kultur eine ähnliche Ausformung von Aussteuertextilien – lange schmale Tücher in Handtuchgröße mit geschmückten Enden. Nur waren diese ca. 10 bis 30 cm breiten Bordüren gewebte Ornamente, meist rot und blau auf naturfarbenem Leinen oder Baumwolle. Die Mittel der Webkunst bestimmten die Muster. Sie sind geometrisch, oft Kelimmustern ähnlich. Wie die Stickereien sind auch sie regional etwas unterschiedlich. Die meisten stammen von Türk:innen, die auf ihrer Wanderung aus Zentralasien nach Zeiten der Sesshaftigkeit auf dem Balkan in die Türkei gelangten.
Ulla Ther reiste in den vergangenen 50 Jahren regelmäßig mit ihrem Mann Roderich Ther durch den Orient. In den 80-er Jahren begleitete sie ihn in den Deutschen Auslandsschuldienst nach Istanbul, von wo aus sie ihre Reisen und ethnografischen Forschungen in der ganzen Türkei intensivieren konnten. Ihre besondere Faszination galt den textilen Schätzen, ganz besonders den Aussteuer-Stickereien. Die Erfahrungen und Erkenntnisse dieser Reisen fasste sie in einer Ausstellung in Hamburg im Rahmen der International Conference on Oriental Carpets (ICOC) und in dem zugehörigen Katalog Botschaft der Blumen (Bremen 1993) zusammen. Die Begeisterung auch für die »einfacheren« Tücher mit ihren rotblau gewebten Schmuckkanten, lässt sie bis heute nicht los.
⇐⇓⇒
Vortrag, 16. April 2019
Mazandaran – die Frauen, die das Licht webten
Werner Weber, Zürich
Vortrag, 21. Juli 2019
Zehn Jahre Museum of Islamic Art in Doha (Qatar)
Dr. Julia Gonella*, Direktorin des Museum
Vortrag, 6. Oktober 2019
Die großen Flachgewebe der Belutschen und ihrer Nachbarn
Jörg Affentranger, Muttens (Schweiz)
Vortrag, 27. Januar 2019
Eine Sache von Samt und Seide. Die Prunkzelte Indiens
Dr. Peter Andrews, Bristol/England
Das Zelt war für die Herrscher Indiens eine Sache des Prestiges, ein wichtiges Element ihrer Selbstdarstellung vor der Öffentlichkeit. Am Hof diente es als Schutz nicht nur des Herrschers und seiner Entourage, sondern auch der oft riesigen Menge von Untertanen, die sich täglich hier versammelte. Der Umfang von Palastbauten konnte mit Zelten ausgedehnt werden. Die stetig wachsende Größe des Herrschaftsgebietes erforderte oft intensives Reisen des Herrschers. Dabei hatte sein Lager neben dem militärischen Zweck auch die Aufgabe, einen reisenden Palast darzustellen, in dem er gesehen werden und Recht sprechen konnte. Drei Merkmale standen augenfällig an erster Stelle: Umfang, Höhe und Kostbarkeit des Materials. Alte Buchillustrationen vermitteln noch heute einen Eindruck der Pracht dieser Zelte.
Dr. Peter Andrews habilitierte sich 1980 an der University of London mit
einer Arbeit über die Geschichte der Zelte im Vorderen Orient und
Zentralasien. Seit 1967 widmete er sich der Architektur der Nomaden
und wurde bald mit Preisen ausgezeichnet, vor allem für seine
Feldforschungen in Marokko, der Türkei, dem Iran, Indien, Pakistan, der
Mongolei und Kirgisistan. Von 1980 bis 2005 Forschungs- und
Vorlesungsaufträge an den Universitäten Köln, Tübingen, Heidelberg,
Bamberg und Bonn. Seit 2006 ist er Honorary Research Fellow an der
University of Bristol.
Vortrag, 7. Oktober 2018
Teppichantiquitäten unter dem Hammer
Erfahrungen eines Auktionators
Detlev Maltzahn, Wiesbaden
Vortrag, 8. Juli 2018
Keine Angst vor Teppichstrukturen
Von gesponnenen und gezwirnten Fäden
Renate und Peter Oettl, Linz
Vortrag, 15. April 2018
Erzengel und andere Vögel
Udo Hirsch, Kappadokien
Vortrag, 28. Januar 2018
Die Sammlung Avitabile. Textilien aus Guatemala
Gunhild Avitabile, Bonn
Mehr als 300 prächtige Textilien aus Guatemala überließ Gunhild Avitabile im Jahr 2006 unserem Museum als großzügige Schenkung. Das gesamte Spektrum der „traje“, traditioneller guatemaltekischer Kleidung, ist damit abgedeckt. Ein Panorama der Webkunst der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts erschließt sich beim Betrachten dieser Sammlung. Niemand anderer als die umtriebige Sammlerin selbst kann diese Vielfalt kenntnis- und detailreicher kommentieren. Ihr Vortrag ermöglicht Einblicke und Erkenntnisse aus erster Hand in den außergewöhnlich farbenprächtigen textilen Kosmos Guatemalas. Giuseppe Avitabile, der Ehemann von Gunhild Avitabile, war italienischer Botschafter in Guatemala. Sie selbst war vor Ort, als der dortige Bürgerkrieg in den Jahren 1984 bis 1986 seinen Höhepunkt erreichte. Zusammen mit Textilweberinnen gründete sie die Cooperativa Sol d’Italia und verbesserte damit die Arbeitsbedingungen und das Auskommen der Frauen. Aus Einkäufen bei Weberinnen der Kooperative und im ganzen Land entstand die beträchtliche Sammlung.
Vortrag, 8. Oktober 2017
Original oder Nachdruck? Batik in Java und Glarner Zeugdruck im 19. Jahrhundert
Marie-Louise Nabholz-Kartaschoff, Basel
Auf der indonesischen Insel Java hat sich Wachsbatik technisch und gestalterisch einst zu höchster Blüte entfaltet. Schon im 19. Jahrhundert suchten Zeugdruckereien in Holland, England und in der Schweiz diese profitablen Märkte zu erobern. Ausgangspunkt des Vortrags ist die Reise eines Glarner Fabrikantensohns von 1840, dessen Auftrag und Ziel reine Marktforschung war. Ausführlich beleuchtet werden Javas damalige historische Situation und hochstehende Kultur sowie der Stellenwert seiner Batikkunst. Javanischen Originalen werden Schweizer Imitate gegenübergestellt mit Blick auf Kreativität und Erfindungsgeist der dortigen Textilindustrie. Auch in Java selber führte der europäische Exporthandel zu grundlegenden Veränderungen – zum Aufbau größerer Manufakturen, zu rationelleren Fabrikationsmethoden und zur Vermischung regionaler Stile und Muster.
Dr. Marie-Louise Nabholz-Kartaschoff, ehemals Kuratorin am Museum der Kulturen Basel und Expertin für indonesische Textilien, stellt dieses faszinierende Beispiel früher Globalisierung vor.
Vortrag, 9. Juli 2017
„Don’t forget the flowers on your way“. Teppiche und Gewebe aus Marrakesch und dem südlichen Anti-Atlas
Annette Korolnik, Carona (Schweiz)
Vortrag, 30. April 2017
Tibetische Schachbrett-Teppiche oder der Ursprung allen irdischen Seins
Birgit Voß, Berlin
Vortrag, Samstag, dem 11. März 2017
Aus dem Land des Schneelöwen. Kostbare tibetische Teppiche der Sammlung Buddeberg
Dr. Michael Buddeberg, Starnberg
In Asien speist sich die Urkraft allen irdischen Seins ganz klar aus dem Quadrat. Es symbolisiert die Materie und damit das Weibliche. Bedeutet dies nun, dass ein tibetischer Teppich mit einem Schachbrettmuster aus vielen aneinandergereihten kleinen Quadraten ein „Meditationsteppich“ ist, weil er bei rituellen Handlungen „erdet“? Wie kann es sein, dass auf alten Expeditionsfotos aus Tibet Textilien mit Quadraten als Unterlage beim derben Würfelspiel oder als Picknickdecke dienten? –Die Shotima genannten Teppiche sind alles in einem: simpel, grafisch, dekorativ und gleichzeitig bedeutungsgeladen, spirituell, kunstvoll.
Birgit Voß ist Redakteurin von Carpet Collector, einem Magazin für Teppich- und Textilliebhaber. Als Studentin der Kunstgeschichte sammelte sie leidenschaftlich tibetische Schachbrett-Teppiche. Sie stellt diese außergewöhnlich seltene Teppichgattung im geistesgeschichtlichen Kontext vor.
Unser Mitglied spricht über die Sammlung tibetischer Teppiche, die er zusammen mit seiner Frau Justyna zusammengetragen hat und von der ausgewählte Beispiele bis 18. Juni 2017 in der Ausstellung des Museums zu sehen sind.
Die beiden Abbildungen sind dem überaus prachtvollen Handbuch, das zur Ausstellung erschienen ist, entnommen. Auf 340 Seiten und mit zahllosen farbigen Abbildungen illustriert, wird die Welt des tibetischen Teppichs erstmals in ganzer Breite dargestellt. Die bekannte russische Expertin für zentralasiatische Teppiche, Elena Tsareva, hat alle Textilien der Sammlung exakt beschrieben und Strukturanalysen beigesteuert. Daneben gibt es einen Beitrag von Friedrich Spuhler zu den Matallgegenständen (insbesondere zu den Endkappen von Thangka-Stangen), weitere Beiträge (u.a.) zu Möbeln und Schmuck sowie vor allem die interessanten Berichte des Ehepaars über ihre 16 Reisen durch Tibet. Das im Verlag Hirmer erschienene Handbuch kostet 49,90 €.
Tibetischer Sattelteppich (71×57 cm), Sammlung Buddeberg