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EOTHEN VIII – Rezension Dr. Michael Buddeberg (Preetorius Stiftung)

Artikel vom 16. Mai 2022

Got­tes ist der Ori­ent!

Got­tes ist der Oc­ci­dent!

Koch/Kre­del

Nord- und süd­li­ches Ge­län­de

Ruht im Frie­den sei­ner Hände.

 

Diese auf einer von Ru­dolf Koch und Fritz Kre­del für den Insel Ver­lag 1934 ge­zeich­ne­ten Deutsch­land­kar­te zu le­sen­den Zei­len haben sich mir seit den frü­hen 50er Jah­ren un­ver­gess­lich ein­ge­prägt. Meine El­tern hat­ten diese de­ko­ra­ti­ve Karte über mein Bett ge­hängt und neben den vie­len in Form ein­präg­sa­mer Sym­bo­le dar­ge­stell­ten Orten hatte ich den an mar­kan­ter Stel­le plat­zier­ten Vier­zei­ler immer vor Augen. Fast sie­ben Jahr­zehn­te muss­ten dann ver­ge­hen bis ich durch die Lek­tü­re von Karl-Jo­sef Ku­schels Bei­trag in EO­THEN VIII rea­li­sier­te, dass die­ser Vier­zei­ler aus der Feder von Goe­the stammt. Wohl kein deut­scher Dich­ter hatte so viel In­ter­es­se für den Ori­ent, für seine Ge­schich­te, Kul­tur und Li­te­ra­tur aber auch für seine Re­li­gi­on, schreibt Ku­schel und fin­det etwa im „Diwan“ zahl­rei­che Par­al­le­len und Hin­wei­se zum Koran. Ku­schels Bei­trag lässt stau­nen, auf wel­chem Ni­veau und mit wel­cher Kom­ple­xi­tät Goe­the die Welt des Islam wahr­ge­nom­men und re­zi­piert hat.

So wie ich, wird jeder in dem ge­ra­de er­schie­ne­nen und reich il­lus­trier­ten Band VIII von EO­THEN mit nicht we­ni­ger als 23 Bei­trä­gen auf fast 700 Sei­ten viel Neues, Fas­zi­nie­ren­des, In­for­ma­ti­ves und Über­ra­schen­des zur Ge­schich­te der Is­la­mi­schen Kunst und Kul­tur fin­den.

Blei­ben wir gleich bei der Li­te­ra­tur. Nichts könn­te bes­ser zu Ku­schels Essay pas­sen wie Pe­ter-Ar­nold Mumms Bei­trag über Fried­rich Rück­ert (1788-1866), wel­cher sich eben­falls in­ten­siv mit ori­en­ta­li­scher Poe­sie be­fasst hat. Mumm stellt Rück­ert, der 42 Spra­chen be­herrscht haben soll, als einen nur mit Pa­ga­ni­ni ver­gleich­ba­ren Vir­tuo­sen in Sprach­wis­sen­schaft, Phi­lo­lo­gie und Über­set­zungs­kunst vor. Aus­ge­hend von der These, dass alle Spra­chen der Mensch­heit letzt­lich eines Ur­sprungs sind, ver­stand sich Rück­ert als Mitt­ler im gro­ßen Kreis­lauf welt­wei­ter Kom­mu­ni­ka­ti­on. Seine ge­nia­le, wenn auch un­voll­endet ge­blie­be­ne Ko­ran­über­set­zung ist, wie Goe­thes Diwan, eine frühe Hom­mage an die is­la­mi­sche Li­te­ra­tur. Na­tür­lich hat sich Rück­ert auch mit dem Na­tio­nal­epos des Iran, dem von Fir­dou­si um das Jahr 1000 ver­fass­ten Shahna­meh oder „Kö­nigs-Buch“ be­fasst. Es soll­te das Vor­bild wer­den für alle spä­te­ren Shahna­meh, die das Leben und die Taten ira­ni­scher Herr­scher prie­sen. Zu die­sem Thema geht Sarah Kiy­an­rad der Frage nach, warum gleich vier von dem ers­ten Sa­fa­wi­den-Shah Is­mail (1487-1524) in Auf­trag ge­ge­be­ne Ver­s­chro­ni­ken über sein Leben und seine Taten un­voll­endet blie­ben und erst unter sei­nem Sohn und Nach­fol­ger Tah­masp das erste sa­fa­wi­di­sche Shahna­meh sei­nen Ab­schluss fand. Is­mail mag schlicht daran ge­schei­tert sein, dass er nicht die ge­eig­ne­ten Au­to­ren be­auf­tragt hatte, die es ver­moch­ten, die Ver­an­ke­rung der Dy­nas­tie in der Ge­schich­te und damit eine Le­gi­ti­ma­ti­on sei­ner Herr­schaft über­zeu­gend dar­zu­stel­len. Als einen wie­der­keh­ren­den Be­stand­teil in die­sen Ver­s­chro­ni­ken und be­son­ders in den Dich­tun­gen von Hafis (1325/6-1390) und Sa´di (1210-1292) preist Mehr Ali Newid eine poe­ti­sche Viel­falt und Krea­ti­vi­tät, die vor allem die Schön­heit von Frau­en zum zen­tra­len Thema einer Sym­bol­spra­che macht, in der Ver­glei­che ero­ti­scher weib­li­cher Merk­ma­le mit Bil­dern aus der Tier- und Pflan­zen­welt und gar dem Kos­mos von Sonne, Mond und Ster­nen kaum noch Gren­zen ken­nen. Nach die­ser breit ge­fä­cher­ten Li­te­ra­tur­schau kann es dann nicht mehr ver­wun­dern, dass Ste­fan Weid­ner in sei­nem Bei­trag zu dem Er­geb­nis ge­langt, dass die Li­te­ra­tu­ren des  Ori­ents ohne Zwei­fel Be­stand­teil der Welt­li­te­ra­tur sind, wobei die „Tau­send­und­ei­ne Nacht“ und Sal­man Rush­dies “Sa­ta­ni­sche Verse“ als ex­tre­me Po­si­tio­nen im po­ly­kul­tu­rel­len Ima­gi­na­ti­ons­raum Ori­ent die Viel­falt die­ser Welt­li­te­ra­tur zum Aus­druck brin­gen.

Mit Yahya Kou­ro­shis Bei­trag über He­gels Ha­fis-Lek­tü­re im Rah­men sei­ner Ber­li­ner Äs­the­tik-Vor­le­sun­gen (1820-1829) kom­men wir von der Li­te­ra­tur zur Kunst und müs­sen zur Kennt­nis neh­men, dass bei aller Per­fek­ti­on und Schön­heit der Poe­sie von Hafis auch Hegel aus die­ser frem­den und fer­nen Welt keine Ant­wort auf den Ver­such fin­den konn­te, Kunst zu de­fi­nie­ren. Hier mag trös­ten, dass an die­sem Ver­such auch Goe­the und Ge­ne­ra­tio­nen von Phi­lo­so­phen und Rechts­ge­lehr­ten bis hin zum Deut­schen Bun­des­ge­richts­hof schei­ter­ten. Kein Zwei­fel an ihrer Kunst­ei­gen­schaft ist dann al­ler­dings bei den zehn Mi­nia­tu­ren aus der Samm­lung des 2021 ver­stor­be­nen Ales­san­dro Bruschet­ti­ni an­ge­bracht, die von Claus Peter Haase de­tail­liert vor­ge­stellt wer­den. Es sind al­le­samt High­lights der ira­ni­schen und mo­gul-in­di­schen Mi­nia­tur­kunst aus deren Blü­te­zeit im 16. Jahr­hun­derts, wobei etwa die Szene, wie ein Löwe den spä­te­ren Shah Ja­han­gir an­greift auch einen dra­ma­ti­schen Hö­he­punkt setzt.

Shahna­meh und Mi­nia­tu­ren, Hand­schrif­ten und Ori­gi­na­le, wo da blei­ben die Kunst des Dru­ckens und der Ver­viel­fäl­ti­gung im in­no­va­ti­ven Ori­ent? Helga Reb­han be­rich­tet an­läss­lich ihres Es­says über die ara­bi­schen Block- und Früh­dru­cke in der Baye­ri­schen Staats­bi­blio­thek, dass die An­fän­ge des Buch­drucks mit ara­bi­schen Let­tern nicht im is­la­misch ge­präg­ten Kul­tur­raum lie­gen, son­dern in Eu­ro­pa. Der Koran in sei­ner ori­gi­na­len ara­bi­schen Sprach­form wurde zum ers­ten Mal 1537/38 in Ve­ne­dig ge­druckt und erst im 18. Jahr­hun­dert be­gann in Kon­stan­ti­no­pel der Druck mit ara­bi­schen Schrift­zei­chen. Gleich­sam um­ge­kehrt dau­er­te es bis zum 19. Jahr­hun­dert, bis sich west­li­che Krea­ti­vi­tät ein Ver­fah­ren aus­dach­te, wie is­la­mi­sche Me­tall­ob­jek­te zu re­pro­du­zie­ren wären. Anja Drei­ser be­rich­tet über das am Baye­ri­schen Ge­wer­be­mu­se­um in Nürn­berg um 1875 ent­wi­ckel­te Ver­fah­ren, gal­va­no­plas­ti­sche  Re­pro­duk­tio­nen is­la­mi­scher Me­tall­ar­bei­ten her­zu­stel­len und stellt er­staunt fest, dass sich keine der er­hal­te­nen Re­pro­duk­tio­nen auf ein vor­han­de­nes Ori­gi­nal zu­rück­ver­fol­gen lässt.

Im Ge­gen­satz zum Baye­ri­schen Ge­wer­be­mu­se­um und des­sen Ziel, das zeit­ge­nös­si­sches Hand­werk zu för­dern, hat­ten (und haben) die Ber­li­ner Mu­se­en stets die Kunst und Kul­tur im Auge. Jens Krö­ger wür­digt den Ein­fluss des Ber­li­ner Samm­lers, Mä­zens und lang­jäh­ri­gen eh­ren­amt­li­chen Mit­ar­bei­ters des Ber­li­ner Mu­se­ums, Fried­rich Sarre (1845-1945), des­sen uni­ver­sal his­to­ri­sches In­ter­es­se und des­sen Samm­lun­gen bis heute den be­son­de­ren Cha­rak­ter des Mu­se­ums für Is­la­mi­sche Kunst in Ber­lin prä­gen.

Blei­ben wir bei der Kunst und ma­chen einen Zeit­sprung mit­ten ins 20. Jahr­hun­dert. Schon unter den Qa­ja­ren hatte sich der Iran mehr und mehr, auch in der Kunst, am Wes­ten ori­en­tiert, doch erst in der 40er und 50er Jah­ren des 20. Jahr­hun­derts prä­sen­tier­ten junge ira­ni­sche Künst­ler eine ganz  neue Selb­stän­dig­keit und be­frei­ten sich vom über­kom­me­nen Rol­len­ver­ständ­nis staat­li­cher Be­vor­mun­dung. Pa­ras­too Ja­fa­ri kon­sta­tiert für diese Zeit einen Ver­lust staat­li­cher Pa­tro­na­ge und eine wach­sen­de Un­ab­hän­gig­keit jun­ger Künst­ler, die den Boden für eine mo­der­ne ira­ni­sche Kunst be­rei­te­ten. Die­ses Phä­no­men war nicht auf den Iran be­schränkt, wie Phi­lip Zobel an den Wer­ken der li­ba­ne­si­schen Künst­le­rin Sa­loua Raou­da Chou­cair be­schreibt. Um 1950  schuf Chou­cair mit schrift­bild­li­chen, an die ara­bi­sche Schrift an­ge­lehn­ten For­men eine abs­trak­te und doch is­la­misch ge­präg­te Kunst und zeig­te damit einen bei­spiel­haf­ten Weg, mo­der­ne Werke zu schaf­fen und gleich­zei­tig an das ara­bi­sche Erbe an­zu­schlie­ßen. Zu ihrer Zeit weder er­kannt noch an­er­kannt sind Chou­cairs Werke als li­ba­ne­si­sche Kunst ara­bi­scher Aus­rich­tung heute hoch ge­schätzt. Dass der Autor auch einen his­to­ri­schen Über­blick über die stets stark von Frank­reich be­ein­fluss­te Kunst des Li­ba­non seit dem 19. Jahr­hun­dert gibt, sei am Rande ver­merkt.

Ana­hi­ta Mit­ter­trai­ner zeigt an Bei­spie­len der ira­ni­scher Stadt- und Pa­las­t­ar­chi­tek­tur eben­so wie an mo­nu­men­ta­len Fels­re­liefs, dass sich ira­ni­sche Herr­scher­dy­nas­ti­en zu ihrer Le­gi­ti­ma­ti­on gerne der Macht­sym­bo­le ver­gan­ge­ner Dy­nas­ti­en be­dien­ten. Jüngs­tes Bei­spiel ist hier die Pah­le­vi-Dy­nas­tie, die sich im Ok­to­ber 1971 mit der spek­ta­ku­lä­ren 2500-Jahr-Fei­er in Per­se­po­lis „auf die Schul­tern“ ver­meint­li­cher Vor­fah­ren stell­te und einen his­to­risch be­grün­de­ten Zu­sam­men­hang be­schwor. Pa­las­t­ar­chi­tek­tur ist auch das Thema von Hel­mut Eber­hart, der der Frage nach­geht, warum der 1864 bis 1872 am Bos­po­rus er­bau­te Çiraĝan-Pa­last, der wohl prunk­volls­te Pa­last des os­ma­ni­schen Herr­scher­hau­ses, fast zur Gänze aus der öf­fent­li­chen Wahr­neh­mung ver­schwand. Po­li­ti­sche, fi­nan­zi­el­le und nie wirk­lich auf­ge­klär­te dy­nas­ti­sche Ränke mögen die Ur­sa­che sein, dass dem Pa­last kein Glück be­schie­den war. Man kann nur hof­fen, dass sein Schick­sal als Hotel Çiraĝan-Pa­lace-Kem­pin­ski ein bes­se­res sein wird. Vom Dach die­ses Lu­xus­ho­tels mag man bei kla­rer Sicht im Süden den Schnee­gip­fel des Uludağ aus­ma­chen. Aus den Dör­fern im Dunst­kreis die­ses 2542 Meter hohen Ber­ges stam­men mit fei­ner Na­del­spit­ze (Oya) ein­ge­fass­te Tü­cher, die schon in der bes­se­ren Ge­sell­schaft des Os­ma­ni­schen Rei­ches ge­schätzt wur­den und heute bei Samm­lern als „Yö­rük-Oya“ oder „Berg-Oya“ hoch­be­gehrt sind. Gérard Mai­zou und Kath­rin Mül­ler er­klä­ren an einem Dut­zend Bei­spie­len mit Bild und Text Tech­nik, Mus­ter und Far­ben die­ser tex­ti­len Kost­bar­kei­ten, die über ihre äs­the­ti­sche Er­schei­nung hin­aus schon auf­grund der viel­fach wie­der­keh­ren­den Grund­for­men wie Drei­eck und Raute auch Amu­lett­funk­tio­nen er­füllt haben dürf­ten. Sol­che ty­pisch ana­to­li­schen Ob­jek­te zur Ab­wehr des Bösen und Be­schwö­rung des Glücks – sind dann Ge­gen­stand einer reich il­lus­trier­ten Ty­po­lo­gie von Amu­lett und Ta­lis­man, der eine jahr­zehn­te­lan­ge Feld­for­schung und Samm­lungs­tä­tig­keit der Au­to­rin Ulla Ther zu­grun­de lie­gen. Mit einer fast gren­zen­lo­sen Viel­falt an For­men, Ma­te­ria­li­en und Ver­fah­ren, mit der Ver­wen­dung von Schrif­ten, Zah­len und Sym­bo­len, der Ab­bil­dung von vie­ler­lei Ge­gen­stän­den  oder gar Kör­per­tei­len, von Fund­stü­cken, Holz, Glas und edlen Stei­nen ent­steht ein bun­tes Ka­lei­do­skop die­ser mit apo­tro­päi­scher oder glück­brin­gen­der Be­deu­tung auf­ge­la­de­nen Ob­jek­te, die fast immer zu­gleich auch Schmuck­funk­ti­on be­sit­zen. Gleich­sam auch als Amu­lett zu wer­ten und dem Volks- und Aber­glau­ben zu­zu­rech­nen ist die Ver­eh­rung von Fuß­ab­drü­cken, die der Pro­phet und an­de­re ver­eh­rungs­wür­di­ge Men­schen in Stein und an­de­ren Ma­te­ria­li­en hin­ter­las­sen haben und die Ver­viel­fäl­ti­gung in Ge­bets­tep­pi­chen und Tex­ti­li­en ge­fun­den haben. Lo­renz Korn un­ter­sucht Her­kunft und sym­bo­li­sche Be­deu­tung die­ses in der ge­sam­ten is­la­mi­schen Welt – und nicht nur, man denke an den Hin­du­is­mus und Bud­dhis­mus – vor­kom­men­den Brauchs bis hin zur Auf­wer­tung ori­gi­nal ge­tra­ge­ner San­da­len als Re­li­quie.

Kein EO­THEN ohne Tür­ken­beu­te und so ran­ken sich auch im ak­tu­el­len Band ei­ni­ge Bei­trä­ge um das, was bis heute von den Aus­ein­an­der­set­zun­gen des Os­ma­ni­schen Rei­ches mit eu­ro­päi­schen Mäch­ten ge­blie­ben ist. Oder auch nicht, denn die le­gen­dä­re os­ma­ni­sche Fahne aus der Münch­ner Frau­en­kir­che ist wohl in den Wir­ren des Zwei­ten Welt­krie­ges un­wie­der­bring­lich un­ter­ge­gan­gen. Pri­scil­la Pfann­mül­ler geht mit kri­mi­na­lis­ti­scher Akri­bie den Spu­ren über Her­kunft und Ver­bleib die­ses Ar­te­fakts nach und kommt zu dem Er­geb­nis: „Nichts Ge­nau­es weiß man nicht.“ Mar­cus Pilz rückt diese Er­kennt­nis dann ins rech­te Licht, wenn er, etwa im Ver­gleich mit den in der Kir­che San Ste­fa­no in Pisa er­hal­te­nen os­ma­ni­schen Fah­nen und Fah­nen­frag­men­ten fest­stellt, dass die Münch­ner Fahne doch vie­les zu er­zäh­len hat. Eben­falls Mar­cus Prinz be­rich­tet über die in den Kunst­samm­lun­gen der Veste Co­burg ver­wahr­te „Tür­ken­beu­te“ und stellt klar, was auch für manch an­de­re Be­stän­de gel­ten dürf­te, dass vie­les von der so­ge­nann­ten Beute als alter Samm­lungs­be­stand zu wer­ten ist und bei­spiels­wei­se als Ge­schenk oder An­kauf in die Samm­lung ge­lang­te.

Rech­net man die schon er­wähn­ten Oya hinzu, sind es gleich vier Bei­trä­ge, die sich mit Tex­ti­li­en be­fas­sen. Es ist ein immer wie­der er­staun­li­cher Kul­tur­trans­fer, dass präch­ti­ge Sei­den­ge­we­be aus dem is­la­mi­schen Ori­ent un­ge­ach­tet ihrer Her­kunft und der meist frem­den Sym­bo­lik und sogar sol­che mit ara­bi­schen In­schrif­ten im mitt­le­ren und hohen Mit­tel­al­ter viel­fa­che Ver­wen­dung als Pa­ra­men­te und in an­de­ren christ­li­chen Zu­sam­men­hän­gen, etwa als Re­li­qi­en­hül­len oder Grab­ge­wan­dung fan­den. Eve­lyn Wet­ter be­leuch­tet die­ses Phä­no­men wobei sie in ihrem Bei­trag den Schwer­punkt auf his­pa­no-mau­res­que Sei­den­ge­we­be aus Al­me­ria, Málaga und Gra­na­da legt. Anna Be­se­lin ver­sucht, das Rät­sel um ge­heim­nis­vol­le Mar­kie­run­gen zu lösen, die man immer wie­der auf den Rück­sei­ten von Tep­pi­chen des 14. bis 17. Jahr­hun­derts fin­det. Ihre Mut­ma­ßung, sie als Kenn­zeich­nun­gen für das Ta­ges­werk der Knüp­fe­rin, als eine Art „Lohn­strei­fen“ zu wer­ten , ist über­zeu­gend, ver­mag sie doch In­for­ma­tio­nen über die Or­ga­ni­sa­ti­on und Dauer der Her­stel­lung die­ser Tep­pi­che zu ver­mit­teln bis zur ur­sprüng­li­chen Größe von nur als Frag­ment er­hal­te­nen Stü­cken. So wird der be­rühm­te Ber­li­ner Dra­chen-Phö­nix-Tep­pich im frü­hen 15. Jahr­hun­dert, legt man heu­ti­ge Ar­beits­stan­dards zu­grun­de, wohl in 6 Wo­chen ge­knüpft wor­den sein. Schließ­lich setzt Ul­rich Türk mit sei­ner 80 Sei­ten um­fas­sen­den, reich be­bil­der­ten Mo­no­gra­phie über das phry­gi­sche Erbe in der ana­to­li­schen Tex­til­kunst ein neues High­light zur Mus­ter­for­schung. Li­ne­ar geo­me­tri­sche Flä­chen­de­ko­ra­tio­nen un­ter­schied­li­cher Art dür­fen um das 8. Jh. v. Chr. als eine be­deu­ten­de und mit hohem künst­le­ri­schem In­tel­lekt ent­wi­ckel­te,  phry­gi­sche In­no­va­ti­on be­wer­tet wer­den. Dass diese Ge­stal­tungs­prin­zi­pi­en ei­ni­ge Grup­pen ana­to­li­scher Flach­ge­we­be des 19. Jahr­hun­derts prä­gen, ist für den Autor kein Zu­fall, son­dern un­ge­bro­che­ne Tra­di­ti­on. Im­mer­hin ist Ul­rich Türk in­zwi­schen so al­ters­wei­se, dass er seine These selbst auf den kunst­his­to­ri­schen Prüf­stand stellt und den Leser auf­for­dert, sei­nen Über­le­gun­gen zu fol­gen – oder auch nicht.

Das soll dann auch die Bot­schaft die­ses Be­richts über die drei­und­zwan­zig  so ganz un­ter­schied­li­chen Bei­trä­ge in EO­THEN VIII sein: Alle Au­to­ren ver­tre­ten zu ihren The­men eine ganz per­sön­li­che, wohl­be­grün­de­te Mei­nung und über­las­sen es dem Leser, sich ihr an­zu­schlie­ßen, sie ab­zu­leh­nen oder kri­tisch zu hin­ter­fra­gen. Keine Kri­tik, son­dern nur Be­wun­de­rung und Kom­pli­men­te ver­die­nen in­des­sen die Her­aus­ge­ber, denen es mit vi­sio­nä­rem Idea­lis­mus und krea­ti­ver En­er­gie ge­lun­gen ist, einen solch bun­ten Strauß von Bei­trä­gen zu is­la­mi­scher Kunst und Kul­tur in EO­THEN VIII zu bin­den und mit dem nun vor­lie­gen­den Buch zu pu­bli­zie­ren.  EO­THEN VIII ist ein must have für Bi­blio­the­ken, für Ori­en­ta­lis­ten, Ara­bis­ten, Is­lam­wis­sen­schaft­ler und His­to­ri­ker und eine Woche und noch viel län­ger wäh­ren­des Le­se­ver­gnü­gen für alle an Kunst und Kul­tur In­ter­es­sier­ten.

EO­THEN VIII kann man be­stel­len über gdf@​wpich.​de oder ma­mo­le­on­hard@​web.​de.

EO­THEN VIII. Münch­ner Bei­trä­ge zur Ge­schich­te der Is­la­mi­schen Kunst und Kul­tur. Wer­ner Jo­seph Pich und Max Le­on­hard (Hrsg.), Kunst­ver­lag Josef Fink, Lin­den­berg im All­gäu 2022, 680 SS., 434 Abb., ISBN 978-3-95976-337-0,   39 €, für Mit­glie­der 29 €