Vom 12. bis 20. Februar 2010 reiste ein Gruppe von 23 Mitgliedern unserer Gesellschaft in die Emirate Dubai, Katar und Sharjah. Hauptzweck war der Besuch einer Reihe von Museen, doch bot die Reise auch manche Gelegenheit, einen raschen Blick auf „Land und Leute“ zu richten.
Der lebendige Bericht von Dr. Ulrike Besch und einige meisterliche Photographien von Dr. Michael Buddeberg geben einen guten Eindruck von dem erlebnisreichen Ausflug in eine Region, in der die Zukunft allem Anschein nach wirklich begonnen hat – doch die Vergangenheit nicht vergessen wird.
Ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung gab den Anstoß. Das neu eröffnete Museum für islamische Kunst in Doha/Katar versprach Außerordentliches, sowohl was den Bau des amerikanisch-chinesischen Stararchitekten I. M. Pei betraf, wie auch die Exponate selbst, allesamt künstlerische Errungenschaften der islamischen Welt von höchster Qualität.
Also baten mehrere Mitglieder den Ersten Vorsitzenden der Gesellschaft, Max Leonhard, dorthin eine Studienreise zu planen. Und wenn schon Golfregion, so sollten möglichst noch weitere, für die islamische Kultur bedeutende Museen besucht werden. Vor allem das Emirat Sharjah, nur 20 km von der Stadt Dubai entfernt, ist kulturfreudig und verfügt inzwischen über mehr als 16 Museen. Für Herrn Leonhard begann nun eine zeitaufwändige Suche. Kontakte waren herzustellen, ein Reisebüro zu beauftragen, Hotels in passender Lage auszuwählen, Flüge zu bestimmen. Dass das besonders mühsam war, liegt unter anderem an dem unglaublich schnellem Wandel in dieser Region.
Unser Mitglied, Dr. Joachim Gierlichs, Kurator am Museum of Islamic Art, erzählte uns später mit Blick auf die Skyline von Doha, dass diese noch im Jahr 2000 aus nur zwei Hochhäusern bestand. Inzwischen sind es etwa 80-90 und die Baukräne und Bagger stehen nicht still. Gierlichs und der aus Großbritannien stammende Direktor des Museums, Dr. Oliver Watson, werden überhäuft mit Anfragen aus aller Welt, die sie kaum bewältigen können: Anfragen nach einer Stelle, nach Informationen, nach den ausgestellten Werken. „Dubai speed“, so der Titel eines Buches von Michael Schindhelm, Kulturmanager in Dubai, ist Programm für die gesamte Golfregion: Alles verändert sich in rasendem Tempo. Seit dem 2. Dezember 1971, seit der Vereinigung der 6 Emirate (seit 1972 sind es 7) und seit opulenten Ölfunden sind die ehemaligen Wüstenländer angetreten, Superlative zu schaffen. Das betrifft nicht nur die schier unglaubliche Vielfalt an Hochhäusern in eindrucksvollen Skylines der von uns besuchten Städte Dubai, Sharjah und Doha, sondern auch Bildungsprogramme, so wie wir sie in Doha und Sharjah wahrgenommen haben. Der Reihe nach. Ein kurzweiliger sechseinhalbstündiger Flug dank netter Gespräche mit den Freunden, dann Ankunft in Dubai. Dreistündige Zeitverschiebung, angenehme Sommerwärme mitten im Februar.
Dubai
Am nächsten Morgen Stadtrundfahrt mit Marita Rachel-El Kousy, erste Eindrücke vom Erdölreichtum, vom größten Bau der Welt, dem 828 m hohen Burj Khalifa, ein sich nach oben zu einer Nadelspitze verjüngendes außerordentlich elegantes Bauwerk, das mit finanzieller Hilfe des Emirats Abu Dhabi, gerade erst vollendet werden konnte. Kultur heißt in Dubai die Traditionen zu erinnern in Heritage Villages, im Sanieren der Windtürme und vor allem im Aufrechterhalten der malerischen Flotte alter Handelsschiffe, die wie zu früheren Zeiten die am Kai lagernden Frachten zwischen dem nahen Persien und den Emiraten hin- und herschippert. Ein Ausflug an die Grenze zum Oman – zur Oase Al Ain – zeigte uns, dass die Wüste entlang dieser Schnellstraße längst nicht mehr einsam ist, sondern Teil der ökonomischen Konzepte für die Öl- bzw. Gasförderung und den Handel. Überraschend für uns war die hohe Akzeptanz der Scheichfamilie in der Bevölkerung, so wie uns das berichtet wurde, auch bei den rund 80% Ausländern, die wir als Taxifahrer oder Kellner zumindest in einem kleinen Ausschnitt erleben konnten. Luxus definiert sich als Sauberkeit und Sicherheit, die Kriminalitätsrate liegt bei nahezu 0%. Das Gesundheitswesen ist für Emiratis kostenfrei, Gastarbeiter zahlen nur einen kleinen Obulus. Die Bildungspolitik genießt – neben der Sicherheits- und Wirtschaftspolitik – allerhöchste Priorität. Besondere Bedeutung hat Dubai als internationales Handelszentrum vor allem als Gold- und Diamantenumschlagplatz, als Stätte des Reexports von Konsumgütern und als Freizone für Kommunikation und Technologie.
Sharjah
Der Besuch des Nachbaremirats Sharjah war gleich mit einer kleinen Rundfahrt durch das fast ebenso beeindruckende Hochhausviertel verbunden. Unser Ziel war das Museum of Islamic Civilisation, in einem ehemaligen Soukgebäude aus den 1960er Jahren untergebracht.
Es führte uns am ersten Tag Aisha Deemas, eine Araberin in schwarzem Abaya, die, wie wir tags darauf hörten, zur Führungsriege des Museums gehört. Sie sprach ein makeloses Englisch und konnte alle unsere Fragen befriedigend beantworten. Dabei, so die deutsche Islamwissenschaftlerin Dr. Ulrike Al-Khamis am nächsten Morgen, sind sämtliche weiteren Angestellten des Museums Quereinsteiger, ein hoch motiviertes Team, das es sich zur Aufgabe gemacht habt, der Bevölkerung die Kultur des Landes zu vermitteln. Dabei geht es nicht unbedingt um Originale bzw. um höchste Qualität, das Regionale steht im Vordergrund, die Leistungen der islamischen Zivilisation, eine völlig andere Annäherung an die Kunst, wie uns Dr. Al-Khamis in einem sehr eindrucksvollen Vortrag näher brachte. Zweites Ziel waren die Restaurierungs-Werkstätten der Museen im Sharjah Archaeology Museum. Der Kurator Nasir Bin Hashim und die schwedische Restauratorin Johanna Olafsdotter wiesen uns in der Werkstatt in die am hohen westlichen Standard orientierten Erhaltungsstrategien ein. Dem Tipp von einer Dame aus unserer Gruppe, das Maritim-Museum am Hafen zu besuchen, folgten wir gerne. Dort erfuhren wir in einem wunderbaren hochmodern angelegten Haus über die ehemaligen Perlenfischerei und die Herstellung der Douws, der Handelschiffe, des heute noch bedeutenden Hafens von Sharjah.
Doha
Der einstündige Flug in Katars Hauptstadt Doha und die Einquartierung in ein „altes“ Hotel aus den 1960er Jahren, das in Kürze sicherlich einem Hochhausneubau weichen muss, brachte uns mit der gebürtigen Augsburgerin Harriet von Oelhafen zusammen, die uns rührenderweise die nächsten drei Tage fachkundig und liebevoll begleitete.
Harriet ist die Frau eines Mall-Betreibers, die Beiden leben bereits seit fünf Jahren in Doha und schätzen das Land. Am späten Vormittag begann die Fahrt in die Wüste zu einem Privatmuseum mit schier unendlichen Raumfolgen, das uns wahrlich erstaunte. In unwegsam anmutender Einsamkeit findet sich im Sheikh Feisal Museum so ziemlich alles, was man (an)sammeln kann. Teppiche auf den Böden, Vitrine an Vitrine, alle prall gefüllt mit Kunsthandwerk, Kostümen, dazu Möbel, alte Fahrräder, ja sogar an die 50 Oldtimer, Schiffe und Flugzeuge. Geradezu erschlagen von der Vielfalt machten wir uns wieder auf den Weg ins Hotel um uns frisch zu machen für den Vortrag eines unserer Teilnehmer, Dr. Gerhard Fulda, in der Deutschen Schule von Doha. Wohl dem, der nicht müde war, denn es erwartete uns eine kurzweilige und kenntnisreiche Einführung in die arabische Kalligraphie, ihre Les- bzw. Nichtlesbarkeit.
Das Orientalisten-Museum in der Stadt war am nächsten Morgen das erste, außerordentlich interessante Ziel: So also sahen die Europäer den Orient. Die Sammlung wird in einem Bau von 1910 und in dem 19. Jahrhundert angepassten Räumlichkeiten präsentiert. Sheik Hassan Bin Mohamad Al Thani hat sie in nur 15 Jahren zusammengetragen und dem Staat Katar 2005 geschenkt.
Das Juwel der Reise, das Museum of Islamic Art, sparten wir uns für den Nachmittag auf und den Tag darauf. Der Direktor, Dr. Oliver Watson, schilderte uns in einem Konferenzraum die arbeitsreichen Monate, vor und seit der Eröffnung des Museums 2008. Ziel war, die Kunstwerke allerhöchsten Ranges – in relativ kurzer Zeit vom Emir seit den 1995er Jahren angekauft -bestmöglichst in den wunderbaren Räumen und Vitrinen zu präsentieren. Der Emir sammelt und erwirbt auch heute noch. 700 Werke sind ausgestellt, etwa ebenso viele vergleichbarer Qualität lagern in den Depots. Das Museum soll nur der Anfang einer Reihe weiterer Museen und Bildungseinrichtungen sein. Denn Qatar hat ein ambitioniertes Educational Program, das als Motor für benachbarte Länder der arabischen Welt dienen soll. Bereits im ersten Jahr zählte das Museum 300 000 Besucher.
Wir alle waren hingerissen von dem Bauwerk, das in Anlehnung an das Brunnenhaus in der Moschee Achmad Ibn Tulun in Kairo wie ein marmorner Diamant aus dem Wasser ragt. Filigran und großartig zugleich mutet das Innere mit einer weiten Rotunde an, von der es sternförmig in die vom Designer Jean-Michel Wilmotte wie Black Boxes gestalteten Galerien geht. Es sind nur Meisterwerke ausgestellt, großzügig platziert in den zum Teil in die Wand eingelassenen bzw. hängenden Vitrinen. Die Begeisterung spiegelte sich auch in der exzellenten Führung durch Dr. Joachim Gierlichs.
Und in Zukunft?
Nochmals in die Golfregion reisen, dem mochte die Mehrzahl der Mitreisenden trotz der hoch interessanten Reise nicht zustimmen. Was aber, wenn die andere Hälfte der Sammlung in Doha gezeigt wird? Wenn andere Museen entstanden sind und noch weitere Konzentrationspunkte islamischer Kunst in den Emiraten? Und wäre nicht auch der Kulturbezirk auf der Saadiyat Insel in Abu Dhabi sehenswert, wenn er fertig ist? Dort sind bisher das Sheikh Zayed Nationalmuseum geplant, gebaut von Foster + Partners, das Guggenheim Abu Dhabi von Frank Gehry, ein Kunstmuseum in Kooperation mit dem Louvre, das Jean Nouvel errichtet, ein „Performing Arts Centre” von Zaha Hadid, ein maritimes Museum, gebaut von Tadao Ando, und ein Biennale Park mit 16 Pavillons. Man wird sehen ….