Ab dem Wintersemester 2013/14 gibt es am Institut für den Nahen und Mittleren Osten der LMU keine Iranistik-Professur mehr:
„Der Fakultätsrat der Fakultät für Kulturwissenschaften hat am 16.11.2012 nach langen, ernsthaften Beratungen entschieden, als eine der beiden von der Universitätsleitung zur Streichung verlangten W2-Professuren die am Institut für den Nahen und Mittleren Osten angesiedelte Iranistik vorzuschlagen und nicht durch die eine von der Universitätsleitung zur Verfügung gestellte Tenure-Track-Professur zu entschädigen. Als Folge dieser Beschlüsse wird es ab dem Wintersemester 2013/14 am Institut für den Nahen und Mittleren Osten keine Iranistik-Professur mehr geben. Das Lektorat ist von der Streichung nicht betroffen. Damit ist klar: Das Institut kann den Anspruch nicht mehr aufrecht erhalten, in Forschung und Lehre die Kunde vom Nahen und Mittleren Osten in seiner ganzen Breite zu repräsentieren. Studierenden, die an einem solchen akademischen Angebot interessiert sind, wird geraten (in Deutschland) an die Universitäten Bamberg, FU Berlin, Freiburg oder Hamburg zu gehen. Wir werden unser Bestes tun, bereits eingeschriebenen Studierenden einen ordnungsgemäßen Abschluss ihres Studiums zu ermöglichen. Die neue Lage macht uns betroffen und traurig. Ohne Iranistik erscheint uns ein Institut wie das unsere nicht oder nur eingeschränkt sinnvoll. Welche Perspektive wir mit Hilfe unserer Kollegen und Freunde entwickeln können, wissen wir noch nicht“.
Ob dieser Nachricht – sie ist unterzeichnet von den Professoren des Instituts Andreas Kaplony und Christoph Neumann –, kann man nur den Kopf schütteln. Nimmt damit die LMU in Kauf, so könnte man fragen, dass nicht nur Cowboys, sondern künftig auch hiesige Studenten und Politiker, schon am Namen des letzten Präsidenten des Iran scheitern? Will die Hochschule durch die Leere in der Lehre wirklich dazu beitragen, dass in München demnächst Fragen aus den Bereichen Kunst und Kultur, Sprache und Religion dieses wichtigen Landes nicht mehr fachkundig beantwortet werden können?
In der hier mit freundlicher Zustimmung des Künstlers wiedergegebenen Karikatur, die in einem etwas anderen Zusammenhang in der SZ vom 20.11. 2012 erschien, versucht ein Cowboy vergeblich, den Namen des letzten iranischen Präsidenten zu buchstabieren; er entscheidet am Ende, dass „Flambierter Saddam“ einfacher auszusprechen sei.
Schon im Sommer, als die Universitätsleitung einen Beschluss des selben Inhalts verkündete, erregte das ungläubiges Staunen und vielfältigen Widerspruch zahlreicher Fachleute des In- und Auslandes; damals verwies Präsident Huber die Sache an die Fakultät, die aber nun zum selben Ergebnis gekommen ist.
Die Süddeutsche Zeitung bringt die Meldung unter der Überschrift ORIENTKRISE in der o.g. Ausgabe. Zitiert wird der Dekan der Kulturwissenschaftlichen Fakultät, Prof. Moser, die Sparansage sei unverrückbar, doch „wenn man andere Wege sucht, etwa über Drittmittel, würde ich als Dekan das sehr unterstützen“.
Aber kann man sich denn wirklich vorstellen, dass ein so wichtiges Fach, das einen umfangreichen personellen und materiellen „Apparat“ hinter sich benötigt, in Form einer Stiftungsprofessur dauerhaft ordentlich arbeiten könnte? Wo wären die dazu notwendigen massiven Finanzmittel in Sicht? Steuert das in Richtung Vorbild USA?
Im Sommer hatte das Institut eine umfangreiche Begründung für den Erhalt der Professur ausgearbeitet. Die Fachleute des Instituts waren sich einig, dass die LMU an dem Standard der führenden Universitäten Europas mit je einer Professur für Arabistik und Islamwissenschaft, Iranistik und Turkologie festhalten müsse. Der Verzicht auf die Iranistik würde den Forschungsstandort München maßgeblich schwächen.
Was damals gesagt wurde, gilt unverändert:
- Iran ist mit 75 Millionen Einwohnern und seinem wirtschaftlichen Potential eines der wichtigsten Länder des Nahen und Mittleren Ostens: der einzige schiitische Staat mit einer kaum zu überschätzenden Ausstrahlung auf den politischen Islam der Gegenwart.
- Das Persische ist wie Arabisch und Türkisch eine der drei Hauptsprachen der Region, und die einzige indoeuropäische unter ihnen.
- Die iranische Kultur gehört zum zentralen Bestand des Welterbes und hat den Raum vom Balkan bis nach Indien stark geprägt – über die Seidenstraße strahlt diese Kultur bis nach China.
- Für die Arabistik und Islamwissenschaft ist die profunde Kenntnis Irans Voraussetzung, prägt doch die Dreiheit Iran, Byzanz und Altsüdarabien die islamische Kultur und dient Iran als Brücke zu der vom Buddhismus geprägten Vergangenheit Indiens und Chinas.
- Das Neupersische ist Kultur- und Verkehrssprache der ostislamischen Welt, ein Großteil der arabischen Literatur in Iran entstanden. Nicht zuletzt werden Genderfragen in den letzten Jahren besonders am Beispiel Irans untersucht.
- Für die Judaistik ist die Entstehung des Talmud im sasanidisch – iranischen Reich, die Fülle der jüdisch – persischen Quellen und die frühneuzeitliche schiitische Polemik gegen das Judentum absolut prägend.
- Im Rahmen der Turkologie geht es um den gemeinsamen iranisch – türkischen Lebensraum und eine gemeinsame administrative iranisch – türkische Tradition sowie um die Inspiration, die die osmanische Kultur durch die iranische erhalten hat, während der moderne Iran immer wieder in die Türkei blickt.
Daneben sahen – und sehen – die Professoren des Instituts noch eine Reihe von Unverträglichkeiten zu ihren Planungen, der Neuausrichtung des Lehrangebots und zum fachübergreifenden Münchner Zentrum für Islamstudien (MZIS).
Zwar ist unsere Gesellschaft, die ja als Freundeskreis des Instituts agiert, vom Wegfall der Iranistik ebenfalls betroffen, doch ist das eher eine Marginalie im Verhältnis zu den gravierenden Folgen dieses Beschlusses für die Lehrer und Studenten des Instituts, für die Allianz Gastprofessur für Islamische Studien, für die Forschung in Deutschland und nicht zuletzt für das Image einer sog. „Exzellenz“-Universität!
Inzwischen haben wir zusammen mit dem Institut überlegt, wie man der Iranistik wieder eine Zukunft geben könnte; dazu demnächst mehr. (WJP)