Berlin, April 2002: Im Museum für Islamische Kunst findet ein Symposium über eine der Juwelen des Hauses statt, Das Aleppo Zimmer. Dabei ist natürlich auch Julia Gonnella, die bereits 1996 ein maßgebendes Buch über das weltberühmte Objekt geschrieben hatte. Zwanzig international bekannte Fachleute berichten zum Thema.
Einer der Beiträge handelt von einem verwandten Objekt: Dem sogenannten Damaskus Zimmer im Japanischen Palais des Dresdner Völkerkunde Museums. Der Beitrag von Dipl.Restauratorin Dr. Anke Scharrahs glänzt zum einen durch seine Fotos, die technisch und informativ auf einem Höchststand sind. Zum anderen übertrifft sie in ihrer präzisen Darstellung nicht wenige andere Teilnehmer. In der Publikation¹ der Ergebnisse des Symposium findet man dann aber ihrer Kunsttechnologischen Studien zum Aleppozimmer, hatte sie doch, bevor der Band erschien, dort im Jahre 2003 ebenfalls ihre Spuren hinterlassen.
In Dresden arbeitete Anke Scharrahs bereits seit 1997 daran, aus einem „Haufen Bretter“, die man in einem Riesenpaket auf dem Speicher des Museums gefunden hatte, die wahre Gestalt und die alte Schönheit der Wandvertäfelung eines Zimmers aus Damaskus von 1810/11 (so datiert) wiederherzustellen; übrigens arbeitet sie daran ab und zu bis heute.
Die Zeitschrift „monumente“ der Deutschen Stiftung Denkmalschutz berichtete im Oktober 2010 über diese Arbeiten; den Beitrag finden Sie hier. Die Stiftung hat im „monumente Bücherladen“, der jedem Heft beiliegt, eine aufwendige Grußkarten-Serie mit Motiven aus der Vertäfelung des Damaskuszimmers aufgenommen.
Ab und zu heißt übrigens, wenn sie Zeit, und das Museum Geld dafür hat: Work in Progress! In einem Radiobeitrag des MDR (der Beitrag findet sich leider nicht mehr in der Mediathek des Senders) schildert sie, dass beides schwierig ist. Dass Museen für viele wichtige Projekte zu wenig Geld haben, ist bekannt.
Andererseits ist Anke Scharrahs seit ihren Erfolgen in Dresden zur international begehrten Fachfrau für die Erforschung und Restaurierung von ähnlichen Objekten geworden; sie kann natürlich nur dann im Museum weiterarbeiten, wenn Sie zwischendurch im Lande ist. Das Metropolitan Museum of Art in New York verlangt nach ihren Fähigkeiten ebenso wie eine Sammlung Islamischer Kunst, der Doris Duke Foundation, in Honolulu, der Aga Khan Trust for Culture vertraut ihr Objekte in Damaskus an, ihre Beiträge auf internationalen Symposien führen sie in den Libanon ebenso wie nach Indien.
Aber auch ganz in der Nähe des Aleppo-Zimmers im Museum für Islamische Kunst in Berlin gibt es Arbeit: In Potsdam befindet sich in der Villa Gutmann, die ursprünglich einem jüdischen Bankdirektor gehörte – und von den Teilnehmern des Symposiums 2002 nur als dahinsiechende Ruine besichtigt werden konnte – ebenfalls eine der in Deutschland insgesamt drei vorhandenen Zimmerverkleidungen dieser speziellen Gattung. Inzwischen gehört die Villa stolzen Besitzern, die sich freuen, in einem Haus am See mit 50 Zimmern, einem Art Deco Turnsaal und einem wiederhergestellten Damaskuszimmer – Arabicum genannt – zu wohnen.
Zeit kosten nicht nur Reisen und Arbeitsaufträge (allein die wichtigsten summieren sich in den letzten Jahren auf über 30), sondern auch die vielen Publikationen von Anke Scharrahs, die nicht zuletzt den Nachwuchs davon überzeugen können, dass die äußerst mühselige Arbeit einer freiberuflichen Restauratorin zu Glück und Erfolg führen kann.
Ihr Rüstzeug für diesen Beruf erhielt Anke Scharrahs zunächst in einem fünfjährigen Studium an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden, das sie 1995 mit einer auf höchster Stufe bewerteten Diplomarbeit über Untersuchung, Konservierung und Restaurierung eines Ensembles hölzerner javanischer Tanzmasken des 19.Jahrhunderts aus dem Staatlichen Museum für Völkerkunde Dresden abschloss. Diese Arbeit erregte die Aufmerksamkeit der Direktorin des Museums und hatte letztlich zu dem Auftrag geführt, sich auch des Damaskuszimmers anzunehmen. Seit 2003 arbeitete sie – auch praktisch, vor allem in Damaskus, doch auch in New York und Deutschland – an ihrer sehr umfangreichen Dissertation, die sie im Februar diesen Jahres vorlegte und die höchstes Lob erhielt: Polychrome Ausstattungen von Wohnräumen in syrischen Stadthäusern des 17. und 18. Jahrhunderts. Zu Kunsttechnik und Erhaltungsfragen von ‚ajami-Interieurs. Hier ist die Zusammenfassung:
Die („Der Stadt Damaskus und ihren Bewohnern“ gewidmete) Dissertation enthält komplexe Forschungsergebnisse zu einem bisher wenig bearbeiteten und in der allgemeinen Literatur vernachlässigten Feld der urbanen Kulturgeschichte des Nahen Ostens. Thema der Arbeit sind die prächtigen, mit unterschiedlichsten Materialien verzierten Innenausstattungen der städtischen Wohnhäuser in Syrien des 17. bis 19. Jahrhunderts mit dem Schwerpunkt Damaskus. Die Arbeit widmet sich bautechnischen und maltechnischen Fragen der Innenausstattung und gibt zu Beginn einen Überblick über die Bandbreite der verwendeten Materialien: Steinplattenmosaike (opus sectile), farbige Feinputze und Farbpastendekorationen (ablaq), farbig gefasste und vergoldete Natursteinreliefs, farbig gefasste und mit Blattmetallen belegte Holzvertäfelungen, Wandmalereien, Fliesen und Textilien. Schwerpunkt der Arbeit ist die Darstellung der detaillierten Untersuchungsergebnisse zur Herstellungstechnologie der in einer besonderen Technik verzierten Wandvertäfelungen und Balkendecken aus Holz, welche im Arabischen ‚ajami genannt wird. Verwendete Holzarten, holztechnischer Aufbau und rückseitige Markierungen werden in einem umfangreichen Kapitel abgehandelt und die aktuellen Forschungsergebnisse von jüngst durchgeführten Untersuchungen in verschiedenen Institutionen weltweit zusammengefasst. Das umfangreichste Kapitel der Arbeit beinhaltet die verschiedenen Aspekte und Arbeitsschritte zur Oberflächenverzierung der hölzernen Wand- und Deckenvertäfelungen. Es werden Techniken und Materialien für die Grundierung, Übertragung der Muster und Kalligrafien, Blattmetallauflagen, gefärbte Lacküberzüge und Malereien mit unterschiedlichen Farben und Glanzgrad erläutert. Seltene Sondertechniken werden erstmals dargestellt wie beispielsweise Punzierungen der Vergoldungen oder Veredlungstechniken der Metallbeschläge (Scharniere, Türgriffe). Ein weiteres Kapitel widmet sich der Auswertung schriftlicher und mündlicher Quellen. Hervorzuheben ist die erstmalige Edition und Übersetzung eines im Nationalarchiv Damaskus aufbewahrten Vertrages zur Ausstattung eines gesamten Hauses mit ‚ajami-Verzierungen von 1729 (Haus des Isma’il Pasha al-‚Azm, 1725-1730 Gouverneur der Provinz Damaskus). Die Arbeit enthält zudem ein Kapitel mit Forschungsergebnissen zur arabischen Terminologie für die historischen Malmaterialien, Blattmetalle, Holzarten und Pflanzenfasern. Ein weiterer Themenkomplex ist den Phänomenen der materiellen Alterung gewidmet und stellt Veränderungen der originalen Oberflächendekoration durch Lichteinwirkung, Korrosion, nachdunkelnde „Schutzüberzüge“, Rußablagerungen, Schimmelbefall, zu starke Reinigungsmaßnahmen und Renovierungsanstriche dar. Im Anschluss findet sich ein Kapitel, das die wenigen noch weitgehend original erhaltenen Räume dokumentiert, die während der Feldforschung der Autorin und der Untersuchung von ca. 130 Interieurs in der Altstadt von Damaskus gefunden wurden.
Im britischen Verlag Archetype Publications erschien eine für einen breiteren Leserkreis umgearbeitete und um ein Kapitel über Syrische Zimmer in Sammlungen weltweit erweiterte Fassung der Dissertation unter dem Titel Damascene ‚ajami Rooms: Forgotten Jewels of Interior Design. 327 S., 517 farbigen und 22 Abbildungen in „halftone“ (historische s/w Aufnahmen), Archetype Verlag London 2013, Paperback, ISBN 9781904982661 £ 45, in Deutschland (z.B. bei amazon) 55,99 €. Sie können übrigens hier das Inhaltsverzeichnis des Buches anschauen.
Am 7. November 2013 war die Restauratorin zu Gast in der Münchner Universität mit einem Vortrag über ihre Arbeiten. Im August 2013 hielt sie auf Hawai einen Vortrag in Englischer Sprache über syrische Häuser, den man hier vollständig ansehen und -hören kann.
Kürzlich eregte Anke Scharrahs Aufsehen in der Mitteldeutschen Presse, als in der Sächsischen zeitung vom 23.2.2015 unter der Überschrift „Dresdner Forscherin findet Hinweis auf ältestes Damaskuszimmer“ (nämlich älter als das bis dahin als ältestes bekannte Zimmer im New Yorket Metropolitan Museum) ein dpa Bericht erschien, zudem sie uns folgenden Hintergrund mitteilte:
„Ich wusste schon seit 2008 von einem Damaszener Zimmer im Gayer-Anderson Museum in Kairo (Seit ich am Metropolitan Museum am dortigen Damaskuszimmer gearbeitet hatte). Gayer-Anderson erwähnt in seinem Buch (Gayer-Anderson, J. / al-Kretli, S. „Legends of the Bayt al-Kretliya“ East Anglian Daily Times Cairo, 1951), dass das Damaszener Zimmer, das er in sein Haus in Kairo hatte einbauen lassen, eine Datierung von 1103 H / 1692-93 AD hat. Ich kannte auch schon länger einige Fotos von dem Zimmer und hatte gesehen, dass dort wohl einige Teile eines Zimmers aus dem späten 18. Jh. verbaut sind. Auf diesen Fotos konnte ich aber die Inschrift mit dem frühen Datum nicht finden und konnte deshalb nicht erkennen, welche Flächen des Zimmers zu dem Datum 1692 gehörten und welche Teile aus dem späten 18. / frühen 19. Jh. stammen. Deshalb hatte ich schon lange vor, mal nach Kairo zu fahren. Aber dann kamen die Unruhen dazwischen, mein neues großes Projekt hier in Dresden etc…
Bei einer Restauratorenkonferenz in Istanbul 2010 lernte ich dann den ägyptischen Archäologen Abdelrazzak kennen, und er versprach mir, bei Gelegenheit ein paar weitere Fotos zu machen. Aber dann gingen die Unruhen los, das Museum war geschlossen. In der Zwischenzeit arbeitete er in London und Italien — aber meine Bitte hat er nicht vergessen!
Vor einigen Tagen fragte er mich, ob ich noch an den Fotos interessiert sei und schickte mir dann postwendensd den link zu dieser wunderbaren Panoramaaufnahme >>. http://www.3dmekanlar.com/en/gayer-anderson-museum-house.html
Und Bingo!!! Die datierte Schrifttafel belegt, dass zumindest drei der vier Wände aus dem frühen Zimmer von 1692-93 stammen. Sie sind aber so verbaut, dass sie auch vier Wände des ursprünglichen Raumes hätten füllen können. Und sie sind von guter Qualität! Die Schrifttafeln mit den Kalligraphien sind außergewöhnlich schön geschrieben.
Ich will da also unbedingt demnächst mal hin, um mir diese Teile genauer anzuschauen!“
Der Artikel in der Sächsischen Zeitung (SZ) animierte wiederum eine andere Journalistin, sich mit Frau Scharrahs ausführlich über ihre nicht nur kunsthistorisch wertvolle Arbeit, sondern auch über ihre “völker-, kultur- und religionsübergreifende Denk- und Handlungsweise” (um das mal pathetisch auszudrücken) zu unterhalten; hier ist der Beitrag in der SZ von Frau Laske: http://www.sz-online.de/nachrichten/sehnsucht-nach-damaskus-3053374.html.
Noch mehr über Anke Scharrahs und ihre Arbeit finden Sie in drei Artikeln der SZ vom 10.12.2008, 10.08.2010 bzw. 24.03.2011, die Sie hier als pdf lesen können. © mit freundlicher Genehmigung Sächsische Zeitung.
Und hier finden Sie das Neueste aus Dresden >>>: http://wp.me/pG3Ud-XQ
Eine ausführliche Darstellung des Gesamtthemas ist nun in EOTHEN VI erschienen (s. Publikationen)